Einen auf Moses machen

Horst und Grete Weishäupl waren kürzlich zum zweiten Mal gemeinsam in Deutschland unterwegs. Nachdem sie beim letzten Mal eine Oase der Ruhe inmitten eines Freizeitparkes entdeckt hatten, machten sie dieses Mal Bekanntschaft mit ihren Verwandten. Ein Besuch in Salem, auf dem Affenberg stand an. Horst und Grete, das sind mein Mann und ich. Wir leiden nicht an einer gespaltenen Persönlichkeit. Unsere Aliase sind aus purer Albernheit entstanden. Applejack mag es Hochdeutsch zu sprechen. So sehr, dass er manchmal fast nicht mehr aus seiner Rolle findet und er auch schon von unseren Landesnachbarn gefragt wurde, aus welchem Teil Deutschlands er stamme. Es hat sich so ergeben, dass wir ab und zu in die Rollen von Horst und Grete Weishäupl aus dem Wuppertal schlüpfen. Hauptsache wir haben unseren Spaß daran, denn während Applejack und Ramona am liebsten zu Hause auf der Couch hocken, sind Grete und Horst weitaus entdeckungsfreudiger. Ein Projekt lautet deshalb «Horst und Grete go to America». Im letzten Blogartikel hatte ich angekündigt, dass es dabei einen Haken gibt. Dieser liegt darin, dass Applejack mittlerweile zwar mit mir ins Flugzeug steigt, aber für einen langen Übersee-Flug weder er noch Horst bereit sind. Ich habe mir die letzten Monate die Zähne ausgebissen, beim Versuch einen Weg zu finden, wie wir nach Amerika gelangen, ohne einen acht bis zehnstündigen Flug in Kauf nehmen zu müssen. Sowohl Flugdauer wie auch Ausgaben würden uns das Genick brechen. Man müsste Applejack sedieren oder im Frachtraum verstauen, damit er nicht alle in den Wahnsinn treiben würde, weil er aufgrund seines Bewegungsdranges, im Zwischengang ständig auf und abgehen müsste. Eine gehobenere Klasse oder einen Privatjet können wir uns desweitern nur dann leisten, wenn mein Buch ein Bestseller wird und unsere inneren Moralapostel dazu im Stande sind, den brandheissen Klimawandel eiskalt zu ignorieren. Ich hatte vor einiger Zeit bereits einmal eine Kreuzfahrt gebucht, die uns von Hamburg immerhin bis in die Karibik und wieder zurück geschifft hätte. Was soll ich sagen, ich wollte schon immer mal eine Kreuzfahrt machen. Es ist der zweite Versuch gewesen, auf diesem Weg zu reisen. Ersterer fiel Corona zum Opfer und auch der zweite Anlauf scheiterte schlussendlich kläglich. Erstens stellte sich nach reiflicher Überlegung heraus, dass es für meinen Mann doch ein zu großer Schritt darstellte, so lange unterwegs zu sein und er dem Vorhaben mehr aus einer Euphorie, als aus reiflicher Überlegung heraus zugestimmt hatte. Zweitens war die Karibik nicht (das) Amerika und drittens kann ich es inzwischen ohnehin nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, meine Ferien auf einer derart großen Dreckschleuder zu verbringen. Mit dem Schiff nach Amerika anstatt in die Karibik zu schippern, war übrigens auch eine Überlegung, aber eben, das Klima und so. Was ebenfalls dagegen spricht: Ob Frachter, Piratenschiff oder Costa Concordia, es würde einfach viiieeel zu lange dauern. Einen Tunnel, wie der von Frankreich nach England gibt es leider nicht, U-Boote sind seit den Ereignissen im letzten Jahr auch nicht mehr das, was sie einmal waren und im Schwimmunterricht war ich stets die Langsamste. Eine weitere Überlegung war es, die Reise in zwei Etappen zu unterteilen. Infolgedessen hatte ich überprüft, ob eine Insel im Atlantik, sprich zwischen Europa und den USA existiert, die angeflogen wird. Und siehe da, ich bin fündig geworden. Meine Freude über die Entdeckung der Azoren war allerdings nur von kurzer Dauer, denn zwar konnte ich problemlos Flüge auf diese Inselgruppe ausfindig machen, jedoch keine, die von ihr weg, auf direktem Weg nach Amerika führen. Ich kapitulierte kurzzeitig und fand mich schon fast damit ab, dass wir wohl zuerst lernen mussten, einen auf Moses zu machen, um dann sozusagen einfach geradeaus durchwatscheln zu können. Dann hatte ich plötzlich einen Geistesblitz. Ganz aufgeregt überprüfte ich diesen und «Heureka», ich hatte die Lösung und die schien sogar noch besser zu sein als jene von Moses, weil wir dadurch zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen konnten. Applejack ist wie gesagt kein sonderlich großes «Reisefüdli» möchte aber unbedingt einmal nach Island. Ihn fasziniert diese Vulkaninsel, welche von hier aus in wenigen Flugstunden zu erreichen ist. So weit so gut. Früher hat es mich ausschließlich an die Wärme gezogen und ich wäre nicht freiwillig an einen Ort gegangen, an dem die Fabelwesen förmlich schreien: «Winter is coming!». Mittlerweile bin ich da offener geworden. Der Clou an der Geschichte ist, dass ich zwar keine Direktflüge von den Azoren in die USA ausfindig machen konnte, jedoch solche von Island aus. Die Icelandair fliegt ohne Umwege von Reykjavik nach Boston. Das Beste daran ist, dass der Flug weniger als sechs Stunden dauert. Eine Zeitspanne, die auch für meinen Mann im Bereich des Möglichen liegt. Wir überlegten uns also wie es wäre, unsere Reise nach Amerika und ebenso den Rückweg, über Island anzutreten. Wir würden uns sowohl auf dem Hin- wie auch auf dem Heimweg Zeit dafür nehmen, ein paar Ponys zu streicheln, Feen zu grüßen und Wasserfälle zu fotografieren. Auch diese Variante braucht Zeit, ist jedoch etwas umwelt- und vor allem «autistenfreundlicher». Für die Realisierung unseres Planes sollte deshalb nun künftig der Grundsatz gelten «Ora et labora!», was so viel heißt wie «Bete und arbeite!», denn wir benötigen nun zwar nicht mehr die Fähigkeit, das Meer zu teilen, allerdings jene, unser Vermögen zu verdoppeln. Und wenn ich es mir recht überlege, ist das Erlangen der Gabe Moses womöglich sogar realistischer als jenes, die Scheinchen zu vervielfachen. In dem Sinne: Mögen die Macht, Horst und Grete mit uns sein!