Einsamkeit ist für viele Menschen real. Dabei stehen nicht nur jene im Fokus, die aus diversen Gründen über kein soziales Netzwerk verfügen, in welchem ein persönlicher Austausch stattfinden könnte, sondern auch Personen, die sich zwar sehr wohl in einem Freundeskreis, einer Familie etc. bewegen, sich aber dennoch einsam fühlen. Allein zu sein bedeutet nicht automatisch, sich einsam zu fühlen, während sich ein Mensch hingegen unter seinesgleichen bewegen und dennoch eine gewisse Einsamkeit verspüren kann. Manche fühlen sich grundsätzlich einsam, andere wiederum in Bezug auf ein ganz bestimmtes Thema.
Selbst die Begebenheit, Menschen um sich zu haben, die einem zuhören, muss zudem nicht zwingend bedeuten, dass jemand auch das Gefühl hat, dass ihm zugehört wird.
Zuhören des Zuhörens willen ist nämlich herausfordernd, wenn die Uhr tickt, das Smartphone vibriert, emotionale Verknüpfungen bestehen, Triggerpunkte gedrückt werden, der Moralapostel winkt und man von seinen eigenen Gedanken abgelenkt wird. Zuhören hat verschiedene Facetten und oft spielen dabei vermeintliche Kleinigkeiten eine Rolle, wenn es darum geht, inwiefern sich die sprechende Person wirklich verstanden und gesehen fühlt.
In der Tat ist das Bedürfnis, sich gesehen und verstanden zu fühlen etwas, das die meisten Menschen teilen. Zuhören heisst in diesem Zusammenhang nicht automatisch, auch Verständnis zu haben und Verständnis zu haben ist wiederum nicht dasselbe, wie Verständnis zu zeigen.
Es zu zeigen, ist weitaus einfacher, denn die Art und Weise, wie wir auf Gehörtes reagieren ist lernbar. Verständnis zu haben lehrt uns wiederum höchstens die Erfahrung, Mit jedem Mal, bei dem sich bei mir beispielsweise ein «Das würde mir nie passieren!» in ein «Es ist mir passiert!» transformiert, werde ich ein Stück demütiger. Verständnis zu haben, hat mit einem tiefen Empathievermögen und der Fähigkeit zu tun, dem Gegenüber wertungsfrei zu begegnen. Es ist die Art von Verständnis, welche im Herzen spürbar ist und unser Handeln beeinflusst. Wirkliches Verständnis beruht darauf, dass die eigene Handlung dem externen Problem stets angepasst wird, weil man verstanden hat, was es für das Gegenüber bedeutet, wenn man dies nicht tut. Es ist die Fähigkeit, sich in jemand anderen hineinversetzen zu können. Aufrichtiges Verständnis bedeutet auch, eine Situation nicht ausschließlich von sich ausgehend zu beurteilen, sondern sich dabei stets auch in die Welt des anderen zu begeben
Einsamkeit kann auch bedeuten, dass sich eine Person in einer persönlichen Krise befindet und ihr die Wege, die wir von aussen betrachtet als einfach begehbar erachten, als unüberbrückbares Terrain erscheinen. Das Öffnen eines Briefes, das Schreiben einer E-Mail oder der Anruf auf einem Amt werden vom alltäglichen „Fingerlupf“ zu einem bleischweren Unterfangen.
Was gibt es für Möglichkeiten, wenn das Mitteilungsbedürfnis und somit gleichzeitig jenes, sich gesehen und verstanden zu fühlen gross ist, sich dafür jedoch keine geeignete Gesprächspartner finden lassen?
Nicht alle schaffen es, auf direktem Weg psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen und manche möchten dies auch (noch) nicht. Die Gründe dafür sind nicht immer nur Scham oder eine leere Brieftasche, sondern manchmal ganz einfach die abhanden gekommene Energie und Zuversicht, dass es für das eigene Problem eine Lösung geben könnte. Das Wollknäuel im Kopf wird immer grösser und zeigt sich - ehe man sich versieht - als wuchernde Übermacht. Entscheidet man sich tatsächlich dazu, sich (professionelle) Unterstützung, z.B in Form eines Coachings, einer Psychotherapie oder Beratung zu holen, so ist diese meist an therapeutische Ansätze, Beratungsaufträge, spezifische Themen oder eine religiöse Grundhaltung geknüpft. Während sich der Gesprächsbedarf unmittelbar zeigt, sind die Wartelisten zudem nicht selten lang oder gar nicht vorhanden.
Wie überbrückt jemand solche Wartezeiten?
Wo findet jemand Unterstützung, dessen Probleme zu wenig akut für eine sofortige Klinikeinweisung sind, sich für die betroffene Person aber dennoch aufdrängen?
An wen wendet man sich, wenn man Geschichten zu erzählen hat, die niemand (mehr) hören möchte?
Wem teilt man sich mit, wenn man Angst hat, mit seiner Äusserung auf Ablehnung zu stossen?
Zu wem geht jemand, der regelmässiger über seine Empfindungen sprechen möchte, als dies sein Umfeld erlaubt?
Sich für etwas oder bei jemandem anzumelden, zieht zudem häufig einen bürokratischen Mehraufwand mit sich, der unter gegebenen Umständen nicht erbracht werden kann.
Wer hilft einem dabei Schritte zu gehen, die grösser sind, als diese von aussen erscheinen?
Diese Fragestellungen und Überlegungen gaben mir den Anstoss für mein Projekt und Zuhör-Angebot «Pro-Zu».